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Parteiungebundener, vornehmlich neonazistisch geprägter Rechtsextremismus

Die heterogene neonazistische Szene in Sachsen-Anhalt agiert in aktionsorientierten, regionalen Gruppierungen, die teilweise durch unterschiedliche ideologische Strömungen des Rechtsextremismus charakterisiert sind. Neonazistische Gruppierungen zeichnen sich durch eine vor allem von Rassismus und Antisemitismus geprägte Ideologie aus, die sich am Nationalsozialismus orientiert und somit im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht. Teile der Bevölkerung werden als minderwertig bezeichnet und ihnen werden in der Konsequenz ihre verfassungsrechtlich verbrieften Grundrechte, wie die Menschenwürde und die Gleichheit vor dem Gesetz, abgesprochen. Ihre Glorifizierung des NS-Regimes bringen Neonazis auch öffentlichkeitswirksam zum Ausdruck, z. B. mit Versammlungen zum „Gedenken“ an die Rathenau-Attentäter Fischer und Kern am 17. Juli, mit „Heß-Gedenkaktionen“ und Feierlichkeiten anlässlich des Geburtstags von Adolf Hitler. Solche regelmäßig stattfindenden Versammlungen bieten der neonazistischen Szene eine Gelegenheit, sich öffentlichkeitswirksam zu präsentieren und auf diese Weise neue Anhänger zu werben. Auch sind derartige Veranstaltungen der überregionalen Vernetzung dienlich.

Das bis in die 2000er Jahre dominierende Kameradschaftsmodell wurde mittlerweile von eher lose strukturierten kleineren Aktionsgruppen abgelöst, die oft kurzlebig sind. Ein Beispiel hierfür war die mittlerweile inaktive neonazistische Gruppierung „Harzrevolte“, die in den Jahren 2021 und 2022 bei Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Halberstadt, Blankenburg und Wernigerode sowie in sozialen Medien in Erscheinung trat. Dabei schien es der Gruppierung weniger um pandemiebedingte Themen, sondern vor allem um Aufmerksamkeit durch Präsenz beim Protestgeschehen zu gehen, um dieses für ihre Zwecke zu nutzen. Um öffentlich wirksam aufzutreten, führte die „Harzrevolte“ auf Demonstrationen regelmäßig ein Banner mit der Aufschrift „Die Regierung ist das Virus - Deutsch, stabil, ungeimpft“ mit. Ein weiteres Banner mit der Aufschrift „Das System ist der Fehler. Finanzkollaps. Coronadiktatur. Klima-Irrsinn.“ zeigte den Versuch der „Harzrevolte“, sich im Protestgeschehen breiter aufzustellen. Ihr Ziel war es, legitime Proteste gegen pandemiebedingte Eindämmungsmaßnahmen, gegen hohe Energiepreise und gegen die militärische Unterstützung der Ukraine mit verschwörungsideologischen Parolen zu befeuern und zu einem Protest gegen das politische System insgesamt zuzuspitzen.

Im Rahmen der Beobachtung des parteiungebundenen, vornehmlich neonazistisch geprägten Teils der rechtsextremistischen Szene sind dem Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt auch sogenannte rechtsextremistische Siedlungsbestrebungen bekannt geworden, deren Akteure aktiv darauf hinwirken, Rückzugsgebiete zu schaffen, indem sie lokale geographische Gebiet zu vereinnahmen versuchen, um diese zur Umsetzung ihrer extremistischen Zielsetzung zu nutzen. Sie pflegen eine naturorientierte, ökologische Lebensweise und lassen sich daher vorrangig in ländlich geprägten Gebieten nieder.

Personenzusammenschlüsse und Einzelpersonen, die rechtsextremistische Siedlungsbestrebungen verfolgen, vertreten zumeist nationalistische, rassistische, antisemitische und/oder homophobe Ansichten. Einige von ihnen können der „Anastasia-Bewegung“ zugerechnet werden, einer esoterisch-ökologischen, neu-religiösen Bewegung, die ursprünglich aus Russland stammt und seit einigen Jahren versucht, auch in Deutschland lokale Strukturen (sogenannte Familienlandsitze) aufzubauen. Die „Anastasia-Bewegung“ ist ein sehr heterogenes internationales Netzwerk, das sich aus verschiedenen Einzelpersonen und Organisationen zusammensetzt. Die ideologische Grundlage der Bewegung bildet die zehnbändige „Anastasia“-Buchreihe von Wladimir Megre, die ein völkisches und antisemitisches Weltbild propagiert.

Ein zentraler Akteur der „Anastasia“-Siedlungsbestrebungen in Deutschland ist der Verein „Weda Elysia e. V.“ mit Sitz in Blankenburg, OT Wienrode (Landkreis Harz). Der Verein strebt den Aufbau einer eigenen Familienlandsitz-Siedlung an und hat zu diesem Zweck die ehemalige Dorfschänke im Ortskern von Wienrode erworben, um diese zu renovieren und zu einem Kulturzentrum auszubauen. „Weda Elysia e. V.“ versteht sich als eine Glaubensgemeinschaft, die sich auf die Lebensweise ihrer „Ahnen“ beruft und eine esoterische Brauchtumspflege betreibt. In seiner Publikation „Weda Elysia – Fahrt ins Paradies“ macht der Verein unmissverständlich deutlich, dass er sich auf Megres „Anastasia“-Buchreihe beruft.

Einige Akteure von „Weda Elysia e. V.“ pflegten Kontakte zu dem neonazistischen Verein „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e. V.“ („Artgemeinschaft“), der im September 2023 vom Bundesministerium des Innern und für Heimat verboten wurde. So haben Mitglieder von „Weda Elysia e. V." vereinzelt an Veranstaltungen der „Artgemeinschaft“, u. a. an den regelmäßig in Ilfeld (Thüringen) im Südharz ausgerichteten „Gemeinschaftstagen“, teilgenommen.